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Thüringer Landeszeitung vom 06.11.1999
Zehn Jahre nach der Maueröffnung
 
Mein Herz schlägt für Thüringen
Erfurt: Sängerin Gerda Gabriel liebt ihre Freiheit
 

Es ist, als wäre sie den großen November-Demonstrationen nachgereist: Leipzig, Dresden, Berlin - der Kalender von 1989 ist voll mit Orten, an denen die Menschen damals auf die Straße gingen. Gerda Gabriel stand auf der Bühne: Während es am Hauptbahnhof in Dresden zu Handgreiflichkeiten kam und Steine auf die Polizei geworfen wurden, die mit Knüppeln und Wasserwerfer antwortete, sang sie in der "HO - Gaststätte International", Prager Straße, ihre Hits. Titel wie "Hallo, ich bin's" waren es damals, die sie im Land umherreisen ließen. "An dem Abend ging mir die Muffe. Wir wollten weg, raus aus dem Hexenkessel", erinnert sich die Sängerin an die gedrückte Stimmung unter Künstlern und Zuhörern an diesem Abend.

    
"So mutig, mich gegen das System zu stellen, war ich in der DDR nicht. Aber ich bin stolz darauf, den Mut gehabt zu haben, nein zu sagen, was Partei und Stasi anging."
Es macht sie wütend, wenn Kollegen, mit denen sie damals auf der Bühne stand, rückblickend ihr Selbstbild verdrehen, gar als Widerständler für sich werben.
Sie kam von einem Auftritt in Crimmitschau, als sie im Autoradio nur bruchstückhaft von der Mauer hörte - und an einen Beitrag über deren Bau dachte. "Quatsch", war ihr erstes Wort, als sie daheim erfuhr: "Die Mauer ist offen". Ein Anruf bei Verwandten in Berlin brachte schließlich Klarheit. Die halbe Nacht hindurch hat sie die Nachrichten verfolgt: "Ich konnte es immer noch nicht glauben. Dachte, irgendwann fangen die an zu knüppeln".
Zwei Wochen wartete sie geduldig, bis das "große Gedränge" abgeflaut war, ehe sie sich einen großen Lebenswunsch, die Welt kennen zu lernen , im Kleinen erfüllte - mit einer Fahrt nach Fulda. "Die Freude über die Freiheit, auch das sagen zu können, was man denkt, ist immer noch da", sagt die Sängerin. Im November '89 war diese mit der Angst vor dem Ungewissen gemischt.
Seit 1977 hat Gerda Gabriel alle Kalender aufbewahrt - nach der Währungsunion kam mit der D - Mark für sie, wie für viele andere DDR - Künstler, die große Flaute. Fernsehen und Rundfunk wollten nichts mehr von ihr wissen. Bis sie einen Produzenten aus Bayern kennen lernte , der sie für die Volksmusik gewann.
"Jetzt trage ich Dirnd'l, sagt sie und singt von "Thüringen, mein Thüringen". Ein Land, dessen Menschen und Landschaft sie sich verbunden fühlt - und das es zu DDR - Zeiten kaum mehr als in den Liedern Herbert Roths gab.
Ob mit Abba - Medley oder Titeln von Gitte, Tina Turner und Janis Joplin oder als Susi Sause mit Kinderprogramm: Gerda Gabriel will Stimmungsmusik machen. Sie hat viel gearbeitet, damit sich ihr Terminkalender wieder füllt.
Mit Heimattiteln wie "Mein Herz, das schlägt für Erfurt", gewann sie viele neue Fans. Und erst der 9. November 1989 platzierte Thüringen dort, wo Gerda Gabriel das Land besingt: "Im Herzen von Deutschland".,